Artikel und Texte: Feldhasenpopulationen in bejagten und unbejagten Arealen
Feldhasenpopulationen in bejagten und unbejagten natürlichen Arealen
Christina Voss, Kurt Eicher (2001, 2002)

Kurzzusammenfassung einiger Forschungsergebnisse der Biologin Christina Voss (Leer/Ostfriesland) zum Thema Feldhasenökologie
1. Feldhasen im Allgemeinen
Wenn wir hier an dieser Stelle von natürlichen Arealen sprechen, so sind die kulturell , land- und forstwirtschaftlichen veränderten Bedingungen in Mitteleuropa gemeint. Es handelt sich um die noch zur Verfügung stehende Restnatur, die es aber dem Feldhasen immer noch ermöglichen Nachkommen zu erhalten und zu versorgen.
2. Zur Biologie der europäischen Feldhasen im Besonderen
Der heute in vielen Staaten Europas vorkommende Feldhase ist ursprünglich ein solitärer Steppenbewohner, der sich an neue Lebensbedingungen angepaßt hat.
Ausschließlich zur Paarung sucht er den Kontakt mit gegengeschlechtlichen Artgenossen. Bei der Aufzucht zeigen die betreuenden weibliche Tiere soziale Verhaltensweisen.
Die Anpassungsstrategien umfassen aber nicht nur die veränderte Futterauswahl und den verändereten Lebensraum, sondern auch die Regulation der Individuendichte in einem Biom.
2.1. Schwankungen der Feldhasenbestände in einer jahreszeitllichen Rhythmik
2.1.1. Unbejagte Areale
Langjährige Untersuchung zeigen, dass in unbejagten Gebieten die Individuenzahl der Feldhasenpopulation in einer Bandbreite bleibt. Diese Schwankungen sind immer im Zusammenhang mit dem Ausbruch von Krankheiten (z. B. Kokzidiose), der natürlichen Fortpflanzungsrate und dem Einfluss von Beutegreifern zu sehen. Selbst bei einem optimalem Futterangebot kommt es nie zu einem (auch nur ansatzweisen) exponentiellen Wachstum.
Dies kann mehrere Gründe haben:
a.) Die kleinen Beutegreifer wie Fuchs, Marder, Iltis oder Greifvögel „schöpfen" einen Überbestand rechtzeitig ab.
Dieser Ansatz kann verworfen werden, da es sonst zu gar keiner Schwankung der Feldhasenpopulationstärke kommen würde, bzw. die Beutegreifer sich stark vermehren könnten und damit das Ausrotten der Beutetiere zur Folge hätte. In natürlichen Räuber-Beute-Beziehungen ist dies noch nie beobachtet worden.
b.) Der Feldhase reguliert seinen Bestand selbst
Über viele Jahre hinweg konnte beobachtet werden, dass bei unbejagten Populationen die Individuenzahl auf einer definierten Landfläche nie einen bestimmten Wert über- oder unterschritten hat. Der Feldhase hat innerhalb eines bestimmten Reviers eine deutliche Individualdistanz zu seinen Artgenossen. Interessanterweise sind die Bestandszahlen auf unbejagten Flächen geringer, aber auch einer weniger starken Bestandsschwankung ausgesetzt. Der untere Umkehrpunkt liegt dabei nie so tief wie bei bejagten Beständen.
2.1.2. Bejagte Areale
Flächen, die dem Jagddruck bzw. der Bejagung unterliegen, unterscheiden sich hinsichtllich ihrer Individuenanzahl und –schwankung innerhalb der Feldhasenpopulationen signifikant von den unbejagten Arealen. Zum einen ist die Individuenanzahl deutlich höher, zum anderen ist die Schwankung innerhalb der Bestandszahlen für diese Population deutlich stärker. Dies kann mehrere Gründe haben:
a.) Durch die ständige Flucht des Feldhasen ist der Kontakt mit seinen gegengeschlechtllichen Artgenossen deutlich höher und die Paarungswahrscheinlichkeit nimmt zu. Bei diesem solitären Tier sind die Paarungsrituale und –zeiten festgelegt, so dass ein häufigerer Kontakt keine zusätzliche Setzzeit bringen kann.
b.) Durch die Bejagung der Feldhasen werden viele künstlich aus dem Areal entfernt (erlegt) und somit fällt für die Restpopulation der sog. Soziale Stress (durch hohe Individuendichte) kurzfristig weg. Dadurch wird die Ovulation bei den weiblichen Tieren positiv beeinflusst, d.h. es kommt zu mehr Jungtieren pro Wurf. Auch die Anzahl der befruchtungsfähigen Spermien bei männlichen Tieren steigt deutlich an. Die geringere Feldhasendichte zu einem bestimmten ( vor der Paarungzeit liegenden) Zeitpunkt begünstigt die biologischen Paarungsvoraussetzungen und erhöht dadurch die Nachkommenzahlen pro weiblichem Tier.
2.2. Gefahr für die Feldhasen durch die Jagd
Obwohl es zunächst den Anschein hat, dass die Jagd eine positive Auswirkung auf die Feldhasenpopulation hat, ist genau das Gegenteil der Fall.
2.2.1. Fitness und Gesundheit
Während bei unbejagt vorkommenden Beständen die Beutegreifer die Hasenpopulation gesund und fit halten, weil sie nur kranke Tiere erbeuten können, haben bejagte Areale gleich zwei miteinander verbundene Problemkreise.
Einerseits kann der dort bejagte Fuchs, der üblicherweise einen wesentlichen Beitrag zur Gesunderhaltung der Feldhasenbestände leistet, sich weniger um kranke Hasen „bemühen", er weicht bei seiner Ernährung auf andere Futterquellen aus. Kranke Hasen verbreiten auf diese Weise die Seuche deutlich länger und dann auch noch flächendeckender.
2.2.2 Bestandsschwankungen
Wie oben bereits erwähnt kommt es bei bejagten Beständen zu sehr hohen Bestandsschwankungen. Die Anzahl der Nachkommen pro Tier ist zwar deutlich erhöht, doch die werfenden weiblichen Tiere sind reduziert, d. h. wenige Tiere bringen sehr viel Nachkommen.
Hier beginnt ein Teufelskreis, der die Feldhasen auf die rote Liste brachte und sie auch weiterhin gefährden wird.
Gibt es unter den Feldhasen zu Beginn des Frühjahrs die immer wieder zu beobachtende Kokzidiose, so fallen dieser Krankheit zahlenmäßig, auf beiden Beobachtungsflächen, etwa gleich viel Tiere zu Opfer, doch da die Bestandszahlen zu diesem Zeitpunkt am tiefsten Punkt angelangt sind, kann die Reproduktion dieser Art für das bejagte Areal zusammenbrechen.
Findet zeitgleich auch noch eine Bejagung, eine Feldbearbeitung, das Ausbringen von chemischen Keulen oder großen Güllemengen statt, ist die Feldhasenpopulation am Ende.